Walter J. Slodki-Preis, Geschichte(n) einer besonderen Ehrung
Recherche / Bericht: Herr Rößler
In den letzten Jahrzehnten ist die Anzahl der Abiturpreise fast inflationär angestiegen. Wurden am Leibniz 1985 nur 8 Preise an den Abschlussjahrgang mit 74 Schülerinnen und Schülern vergeben, so verlieh man 2022 einem aus etwa 45 Personen bestehenden Jahrgang 23 Preise. Die Vielzahl der unterschiedlichen Würdigungen führt zu einer Fülle von teilweise sehr speziellen Ehrungen. Die folgenden Ausführungen sollen einen von Walter J. Slodki gestifteten Preis näher betrachten. Es werden seine Genese, die Ausgestaltung und außergewöhnliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Verleihung sowie die Einzigartigkeit dieser Ehrung beleuchtet.
Walter Joseph Slodki besuchte die Oberrealschule in Pirmasens (heute Leibniz-Gymnasium) von 1924 bis 1933. Nicht nur seine schulischen Leistungen waren exzellent, er zeichnete sich auch als sehr guter Musiker und Sportler aus. Nachdem er 1939 in die USA emigrieren musste, hatte Herr Slodki bald nach dem Krieg wieder Kontakt mit der Stadt Pirmasens und seiner ehemaligen Schule. Regelmäßige – meist beruflich bedingte – Besuche in der Schuhstadt führten die enge Verbundenheit zur deutschen Heimat fort. So war es nicht verwunderlich, dass Herr Slodki im Mai 1964 anlässlich einer Pirmasenser Messe mit dem Leiter des Staatlichen Mathematischen Naturwissenschaftlichen Gymnasiums, Herrn Engel, eine Unterredung führte. Darin äußerte Herr Slodki den Wunsch, seiner ehemaligen Schule oder einem würdigen Schüler eine jährliche Spende zukommen zu lassen. Auf Rat Herrn Engels gründete Herr Walther J. Slodki eine gleichnamige Stiftung. Der erfolgreichsten Abiturientin oder dem erfolgreichsten Abiturienten des Jahrgangs, also demjenigen mit dem besten Abgangszeugnis, sollte bei der Schlussfeier der „Walter J. Slodki-Preis" verliehen werden, bestehend aus einer Geldzuwendung von 100 DM, einer Urkunde der Schule und einer Medaille.
Nachdem ein erster Entwurf der Medaille nicht der Vorstellung des Ministeriums für Unterricht und Kultus entsprach, beauftragte man den Pirmasenser Grafiker und Künstler Edgar Blum mit einer Überarbeitung. Die neue Namensgebung der Schule – am 15.07.1964 wurde sie zum Staatlichen Leibniz-Gymnasium – und die Einwände des Ministeriums verursachten Verzögerungen. Diese führten dazu, dass die Firma Hermann Mannheim aus Kaiserslautern erst im Oktober 1965 zunächst 25 silberne Medaillen zum Preis von insgesamt 1021 DM prägte.
Als Folge davon musste die Medaille für den ersten Slodki-Preisträger nach der bereits im März 1965 stattgefundenen Abiturfeier am 30. November nachgereicht werden, als der Ausgezeichnete sich bereits im zivilen Ersatzdienst befand.
Jede Medaille hat einen Durchmesser von 40 mm, ist in echt Silber 800fein ausgeführt und trägt das Jahr des jeweiligen Abiturjahrgangs. Da für jedes Kalenderjahr nur eine Silbermünze hergestellt wurde, ergab sich mit den Kurzschuljahrgängen 1966/67 ein Problem. So bekam der beste Abiturient im November 1966 lediglich eine Urkunde und 100 DM überreicht, weil im März bereits die Medaille für dieses Jahres vergeben worden war.
Die Urkunde für den Preis behielt fast unverändert ihren Inhalt über die Jahre hinweg. Nachdem anfangs das „Lehrerkollegium" den Preis „entsprechend den Wünschen des Stifters" verlieh, war ab 1973 hierfür die „Reifeprüfungskommission" zuständig.
Ab Mitte der 60iger Jahren etablierte sich so die Verleihung des Slodki-Preises und war fester Bestandteil der Abiturverabschiedung.
Jedoch lehnte 1971 der beste Schüler des Jahrgangs sowohl die Annahme der Preise des Kultusministeriums als auch den Slodki-Preis ab. In über 9 Seiten begründete der Abiturient seine Verweigerung in einem, wie Herr Slodki schreibt „überaus intelligent geschriebenen Brief", vornehmlich mit der Philosophie von Herbert Marcuse. Nach intensiven Gesprächen und Auseinandersetzungen zwischen Herrn Slodki und dem Preisträger – u.a. kam es auch zu einem persönlichen Treffen – nahm dieser schlussendlich „mit Rücksicht auf den Menschen und die Persönlichkeit Walter Slodki" nachträglich dessen Auszeichnung an. Inzwischen ist der Geehrte als Professor für Philosophie und Geschichtswissenschaften anerkannter Historiker, Politikwissenschaftler und Amerikanist.
In den 80iger Jahren kam es bei der Auswahl zur Ehrung zu einem Fauxpas. Den Preis erhielt anstelle der Jahrgangsbesten ihre um einen Punkt schlechtere Schwester. Diese führte vor dem mündlichen Abitur mit drei Punkten in der Gesamtwertung, jedoch wurde sie im Laufe der letzten Prüfung noch übertroffen. Da die Zuordnung der Slodki-Ehrung unverständlicherweise schon nach den schriftlichen Prüfungen erfolgt war, blieb der Preis zwar in der Familie, aber die Verleihung entsprach nicht den Vorgaben des Stifters. Dieser reagierte überaus freundlich auf diesen Fehler, würdigte die Jahrgangsbeste zusätzlich durch eine Geldspende und lud die Schwestern gemeinsam mehrfach zu Treffen ein.
Um die Preisverleihung für weitere 25 Jahre fortzuführen, stockte Herr Slodki 1986 seine Stiftung um 4000 DM auf und erhöhte das Preisgeld auf nun 250 DM. Eine Prägung zusätzlicher Medaillen für die Jahre 1990 bis 2014 wurde im gleichen Jahr veranlasst. So war der Preis bis zum 100. Geburtstag des Begründers gesichert. In dieser Zeitspanne von 50 Jahren wurde - aufgrund der Kurzschuljahre - der Preis 51mal verliehen.
1988 lud er im Zusammenhang mit der Hundertjahrfeier der Schule alle bis dahin vorhandenen 25 Preisträger zu einem Treffen im Hotel Hans-Sachs-Hof ein. Bis auf drei konnten alle kommen und erlebten einen außergewöhnlichen Abend. Im Kreis mit ehemaligen Mitschülerinnen und -schülern Herrn Slodkis, Schulvertretern und dem Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens, Herrn Rheinwalt, kam es nach einem gemeinsamen Abendessen zu einer interessanten Vorstellungsrunde. Dabei ergaben sich Diskussionen zu einem breiten Spektrum an Themen. Neben Privatem standen schulische, lokal- und gesamtpolitische Aspekte der Vergangenheit und der Zukunft im Zentrum des Austauschs.
In Folge der Währungsumstellung wurde das Preisgeld auf 130 € festgelegt und ab 2007 von Herrn Slodki auf 250 € aufgestockt. Auf ausdrücklichen Wunsch des Stifters endete der von ihm ausgesetzte Preis mit dem Jahre 2014.
Getreu der Tradition des von Herr Slodki vergebenen Preises hat der Förderverein des Leibniz den Walter J. Slodki-Gedächtnispreis ausgelobt, der zu ähnlichen Bedingungen – aber ohne Medaille - seit 2015 verliehen wird.
Der Walter J. Slodki-Preis ist in mehrfacher Hinsicht eine besondere Ehrung. Mit ihm einher geht eine Belohnung für die beste Abiturientin, den besten Abiturienten der Abschlussstufe. So ist er ein Beitrag zu der teilweise in der Gesellschaft umstrittenen Begabtenförderung.
Gerade in einem Zeitalter, in dem das Spezialistentum immer stärker in den Vordergrund rückt, berücksichtigt der Preis weiterhin eine größtmögliche Breite der Ausbildung in der Schule. So wird die/der Jahrgangsbeste über alle Fächer hinweg ausgezeichnet und muss daher eine umfassende Leistungsfähigkeit aufweisen.
Die Einzigartigkeit des Preises entsteht aber erst durch den Mensch Walter J. Slodki. Im dritten Reich wurde er in Deutschland wegen seiner Religion verfolgt, vertrieben und musste emigrieren. Unsägliches Leid erlitt er durch die Ermordung seiner Mutter und vieler Verwandter. Trotz dieser prägenden Schicksalsschläge reichte Herr Slodki den Menschen in Pirmasens versöhnlich die Hand. Großherzig kümmerte er sich u. a. nicht nur um Carepakete für seine Heimatstadt, sondern spendete den für die Schule so wichtigen Walter J. Slodki-Preis.
Er möge uns allen in seinem Denken und Handeln ein Vorbild sein.
Wir danken unserem ehemaligen Kollegen Herrn O. Weber für die Überlassung der Fotos von Walter J. Slodki.